Schweizer Armee: SRA-Schiessen als neue Chance für moderne Milizausbildung

Die Schweiz ist eine Schützennation – traditionsbewusst, präzise, oft etwas behäbig.

Dass Schiesssport auch anders geht, zeigt der Infanterieoffizier Pascal Brodbeck. Im Gespräch mit Oberst i Gst Mathias Müller im Podcast der Schweizer Armee erklärt der 30-Jährige, wie er das sogenannte SRA-Schiessen aus Finnland in der Schweiz etablieren will – als dynamische, taktisch orientierte Ergänzung zur klassischen Schiessausbildung.

SRA steht für „Sovellettu Reserviläisammunta“ oder übersetzt „Angepasster Schiesssport für Reservisten“. In Finnland entwickelte sich dieser Sport innerhalb der Milizstrukturen. Er wird von Reservistenverbänden organisiert und durch die Armee unterstützt. Die Regeln basieren auf dem internationalen IPSC-Schiessen; angepasst an militärische Standards: Geschossen wird mit Dienstwaffen und taktischer Ausrüstung. Parcours simulieren reale Einsatzlagen mit Zeitdruck, Zielwechsel, Bewegung und körperlicher Belastung. „Das ist kein statisches Schiessen auf Scheiben, sondern eine taktische Übung unter Stress“, erklärt Brodbeck.

Beliebte Wettkämpfe

In Finnland ist das SRA-Schiessen längst etabliert; rund 17’000 Schützen nehmen daran teil, viele davon ehemalige oder aktive Milizangehörige. Die Wettkämpfe sind beliebt: Beim bekannten „Finnish Brutality“-Match, das bei Kälte und ohne Verpflegung ausgetragen wird, sind die Startplätze jeweils innert Sekunden ausverkauft.

Auch in Estland und Schweden verbreitet sich SRA – und jetzt in der Schweiz: Brodbeck organisiert am 9. Juli 2025 den OGBB SRA-Wettkampf auf dem Waffenplatz Seltisberg (BL); mit fünf Parcours, 60 Teilnehmenden und einem an die Schweiz angepassten Reglement. Teilnahmebedingung: eine militärische Ausbildung mit dem Sturmgewehr 57 oder 90.

Wettkampf trifft Milizidee

Für Brodbeck ist SRA mehr als Sport. Es ist gelebte Milizkultur: „In Finnland ist der Übergang zwischen militärischer Ausbildung und zivilem Engagement nahtlos. Genau das fehlt uns oft in der Schweiz.“ Im Vergleich zum klassischen 300-Meter-Schiessen fordert SRA die Teilnehmenden mental, physisch und taktisch.

SRA ist auch eine Chance, junge Menschen für den Schiesssport und die Milizarmee zu begeistern. Denn der erste Kontakt mit Waffen erfolgt heute oft nicht mehr im Schützenhaus, sondern in Videospielen oder Filmen. „Wer im Schiessstand dann das Gefühl hat, in der Zeit steckengeblieben zu sein, verliert schnell das Interesse“, sagt Brodbeck.

Von der Praxis für die Praxis

Bei den Wettkämpfen steht der militärische Nutzen im Zentrum: Die Belastungssituation, das Stressmoment und die körperliche Komponente bringen wichtige Erkenntnisse – über Ausrüstung, Technik und sich selbst. „Ich merke, was funktioniert, wo ich scheitere und was ich verbessern muss. Das kann kein Theorietraining.“

Brodbeck will anderen Milizsoldaten einen niederschwelligen Zugang zum taktischen Training ermöglichen. Er sieht auch die Offiziers- und Unteroffiziersvereine in der Verantwortung: „Wir dürfen uns nicht nur treffen, wir müssen auch befähigen.“

Schweizer Weg mit finnischer Inspiration

Nicht alles aus Finnland lässt sich übernehmen. Der schweizerische Pragmatismus verträgt keine „Brutality Matches“ mit martialischem Namen. Doch das Prinzip – ein dynamisches Training für Milizsoldaten – passt zur Schweiz. Brodbecks Projekt zeigt: Die Kombination aus Tradition und Innovation ist möglich. Und sie ist nötig, wenn die Armee ihre Verteidigungsfähigkeit stärken will.

 

Quelle: Schweizer Armee / Kommunikation Verteidigung, Mathias Müller (Bearbeitung: Christian Bärtschi)
Bildquelle: VBS/DDPS

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